Ich geb’s zu, ich hab Contraband Police anfangs eher belächelt. Ein Spiel über Grenzkontrollen im Ostblock-Setting? Klang nach einer Mischung aus Bürokratie-Simulator und „Ich steh im Regen und frier mir den Hintern ab“. Aber kaum hatte ich den ersten Schlagbaum geöffnet, war ich drin. Dieses Spiel ist irgendwie absurd, charmant und auf seine ganz eigene Art süchtig machend. Ich habe mir daher Contraband Police auf der Playstation 5 einmal genauer angesehen.
Willkommen in Akaristan
Die Geschichte spielt im Jahr 1981, irgendwo zwischen Dreck, Diktatur und Dauernebel. Akaristan, das fiktive Land, erinnert stark an die UdSSR, nur dass hier die Grenzen noch ein bisschen rostiger und die Gesichter noch müder wirken. Du bist ein junger Grenzpolizist, frisch versetzt in ein gottverlassenes Tal, wo der nächste Laden zehn Kilometer entfernt liegt und jeder zweite Fahrer irgendwas im Kofferraum versteckt.
Dein Job klingt simpel: Pass kontrollieren, Fahrzeug prüfen, Schmuggelware finden, entscheiden, wer durch darf. Doch nach ein paar Stunden merkst du, dass das mehr ist als Papierstempel und Protokolle. Du beginnst, Gesichter wiederzuerkennen, verdächtige Verhaltensmuster zu deuten, Fahrzeuge genauer zu scannen. Und wenn du dann tatsächlich Drogen oder Waffen findest, fühlt sich das verdammt befriedigend an.

Mit einer UV-Lampe suchst du nach Markierungen, durchsuchst Sitze, Tankdeckel, Reifen. Jeder Wagen ist eine kleine Wundertüte. Und irgendwann erwischt dich das Spiel dabei, wie du fast paranoid jedes Kennzeichen zweimal prüfst, nur weil der Fahrer komisch geguckt hat.
Gameplay: Zwischen Bürokratie und Blaulicht in Contraband Police
Contraband Police lebt von seinem Gameplay-Loop. Morgens stehst du an der Schranke, kontrollierst ein Auto nach dem anderen, vergleichst Fotos mit Gesichtern, prüfst Passnummern, Gewicht, Fahrzeugtyp. Klingt trocken, ist aber erstaunlich intensiv, weil du weißt, dass jeder Fehler Konsequenzen hat.
Und genau da kommt der Spaß auf. Wenn du jemanden durchlässt, der später als Schmuggler entlarvt wird, gibt’s Ärger von oben. Wenn du zu streng bist, leidet dein Ruf. Das Spiel spielt ständig mit dieser Spannung zwischen Kontrolle und Bauchgefühl.

Nach und nach erweitert sich dein Aufgabenbereich. Du fährst Gefangene in Arbeitslager, bringst beschlagnahmte Ware ins Depot, oder wirst zu Einsätzen außerhalb des Grenzpostens gerufen. Dann geht’s plötzlich raus aus dem Kontrollhäuschen und rein ins Chaos. Überfälle, Schießereien, Verfolgungsjagden – alles da.
Und auch wenn das Schießen sich eher nach „Holzgewehr im Kindergarten“ anfühlt, bringt es Abwechslung rein. Mal jagst du Rebellen, mal klärst du einen Mord auf oder fängst einen flüchtigen Fahrer. Das Spiel streut immer wieder kleine Geschichten dazwischen, die dich aus dem Routine-Trott reißen.
Ein Highlight sind die Entscheidungen, die du triffst. Manche Missionen verlaufen anders, je nachdem, ob du streng nach Regelbuch handelst oder etwas Menschlichkeit zeigst. Diese kleinen moralischen Dilemmata geben dem Spiel eine Tiefe, die man ihm auf den ersten Blick nicht zutraut.

Story und Atmosphäre
Überraschend ist, wie viel Story dann doch tatsächlich drin in Contraband Police steckt. Was am Anfang nach purem einem Routine-Simulator aussieht, entwickelt sich später zu einer echten Erzählung über Loyalität, Macht und Moral. Immer wieder erfährst du Neues über das Land, über die politischen Spannungen und über die Menschen die an deiner Schranke von Zeit zu Zeit auftauchen.
Besonders stark sind die Szenen in denen du gezwungen bist, deine eigenen Entscheidungen zu treffen. Lässt du den alten Mann mit gefälschtem Pass durch, weil du seine Geschichte glaubst oder hältst du dich ans Protokoll, weil du weißt, dass jeder Fehler bestraft wird?

Später kommen auch größere Ereignisse ins Spiel: Pandemien, politische Krisen, Terroranschläge. Du musst plötzlich auf Impfbescheinigungen achten, Fahrzeuge wiegen, verdächtige Kuriere aufhalten. Und irgendwann erkennst du: Das Spiel ist nicht nur ein Job, sondern eine Simulation von Machtmissbrauch, Druck und Menschlichkeit unter einem Regime, das keine Fehler verzeiht.
Technik und Umsetzung
Man merkt Contraband Police an, dass es kein AAA-Projekt ist. Die Grafik ist solide, aber kein Augenschmaus. Die Umgebung ist karg, die Animationen teils hölzern, und das Fahrverhalten erinnert eher an ein altes PS2-Spiel. Trotzdem: Es funktioniert. Und erstaunlich gut.
Ich hatte in über 15 Stunden keine nennenswerten Bugs, keine Abstürze, keine kaputten Speicherstände. Alles läuft stabil, auch wenn die Technik manchmal ihre Grenzen zeigt. Der Stil passt zur Atmosphäre – ein bisschen schmutzig, ein bisschen trist, aber stimmig.

Der Sound ist tatsächlich ziemlich stark. Das Knirschen der Reifen im Dreck, das dumpfe Klirren beim Kontrollieren eines Kofferraums, das leise Rauschen des Windes – es trägt enorm zur Stimmung bei. Selbst die Musik ist sparsam, aber effektiv eingesetzt, meist nur als Hintergrundrauschen zwischen Regen, Wind und Motorengeräuschen.
Fazit
Contraband Police ist kein Hochglanzprodukt, sondern ein Spiel mit Charakter. Es macht aus einer simplen Idee etwas Spannendes: den Alltag eines Grenzpolizisten in einem fiktiven Ostblockstaat. Du prüfst Papiere, jagst Schmuggler, triffst Entscheidungen, und bevor du’s merkst, bist du völlig in diesem trostlosen kleinen Grenzposten versunken.
Klar, das Fahrmodell ist grob, das Schießen hakelig, und die Gesichter wirken alle ein bisschen wie aus der Dose. Aber unterm Strich funktioniert das Ganze. Es ist immersiv, fordernd und manchmal sogar überraschend emotional.
Kurz gesagt: Es ist kein Spiel, das dich mit Grafik beeindruckt, sondern eines, das dich mit seiner Atmosphäre und seinem Gameplay packt. Und wenn du nach zehn Stunden beim dritten Kontrollposten noch immer grinst, weil du wieder einen Schmuggler erwischt hast, dann hat das Spiel genau das geschafft, was es wollte.
