Ich sag es mal direkt so wie es ist. MIMESIS hat mich komplett kalt erwischt. Ich dachte wirklich, das wird so ein 08/15 Indie Horrording, bisschen rumlaufen, bisschen kreischen, Feierabend. Und dann steh ich da im Dunkeln, hör Schritte hinter mir, drehe mich um und sehe mich selbst anstarren. Und in dem Moment wusste ich, dieses Spiel meint es ernst.
MIMESIS ist eins dieser Spiele, die dich nicht mit Jumpscares erschlagen, sondern dich langsam paranoid machen. Und das ist irgendwie viel schlimmer, aber auch viel lustiger, wenn man es mit Freunden spielt. Solo kannst du zwar machen, aber so richtig knallt das nicht. Das Ding lebt vom Chaos im Voicechat und vom gegenseitigen Blamieren.
Einstieg und erster Eindruck
Du landest in einer verregneten alten Straßenbahn Station, die so aussieht, als wäre sie vor dreißig Jahren evakuiert worden und nie wieder wer zurück gekommen. Alles glänzt nass, überall tropft es, die Lichter flackern so vor sich hin. Und direkt am Anfang merkst du schon, dass hier irgendwas nicht stimmt. Das Spiel wirft dich nicht in eine epische Intro Szene, es sagt einfach: „Hier bist du, da ist die kaputte Tram, reparier sie.“ Und los geht’s.
Schon die ersten Schritte fühlen sich komisch an. Das Klangdesign ist fast schon unverschämt gut, besonders für ein kleines Indie Ding. Du hörst kleine Metallgeräusche, Wasser, Schritte, die irgendwo hinter dir in der Dunkelheit verschwinden. Ich hab mich mehrmals umgedreht, nur um festzustellen, dass da gar nix ist. Oder ich dachte es. Das Spiel spielt damit, dass du nie genau weißt, ob du gerade paranoid bist oder ob da wirklich was rumläuft.

Die Levelgröße ist perfekt. Nicht groß genug um dich zu verlaufen, aber groß genug, um ständig das Gefühl zu haben, dass jemand auf dich lauert. Und ja, die Station sieht ein bisschen rostig und alt aus, aber genau das macht diese verlassene Atmosphäre aus.
Gameplay von MIMESIS
Das Gameplay wirkt zuerst sehr klassisch. Schrott suchen, Türen öffnen, Generatoren starten, Kabel verbinden. Nichts davon ist neu, aber MIMESIS macht etwas anderes daraus. Denn die ganze Zeit weißt du, dass die Mimes sich als echte Spieler ausgeben können. Und damit meine ich nicht nur, dass sie aussehen wie du. Das wäre ja noch leicht zu erkennen.
Nein, diese Viecher imitieren Stimmen. Wirklich Stimmen. Du hörst im Voicechat auf einmal deinen Kumpel sagen: „Ich bin hinter dir, komm mal kurz.“ Und dann siehst du den echten Kumpel auf dem Bildschirm aber auf der anderen Seite der Map. Und in diesem Moment rutscht dir das Herz in die Hose. Weil du nicht weißt, ob der, der gerade gesprochen hat, echt ist.

Das Spiel setzt genau da an. Die KI ahmt Verhaltensmuster nach, antwortet verzögert oder zu perfekt, versucht dich mit kleinen Sätzen reinzulegen. Und irgendwann bist du dir wirklich nicht mehr sicher, wer gerade spricht. Es ist unfassbar effektiv und so ziemlich das schlimmste, wenn du eh schon leicht schreckhaft bist.
Die Mimes bewegen sich fast korrekt, aber eben nur fast. Kleine Bewegungsfehler, leichte falsche Kopfhaltung, zu langsame Reaktion, wenn du was sagst. Und du erwischst dich dabei, wie du jedes kleinste Zucken beobachtest. Wenn dann tatsächlich der erste Mimic euch anspringt, ist das Geschrei im Voicechat schon vorprogrammiert.
Neben der Paranoia gibt es aber richtig solide Koop Aufgaben. Ihr müsst gemeinsam die Bahn reparieren, Items sammeln, neue Bereiche öffnen, Rätsel lösen. Und die Map verändert sich immer mal wieder. Stromausfälle, Überflutungen, Monster aus Nebenräumen, neue Wege. Routine wird bewusst kaputt gemacht.

Es fühlt sich wie ein ständiger Mix aus Teamwork und gegenseitigem Misstrauen an. Und das ist genau die Art Chaos, die richtig Spaß macht, wenn ihr zu dritt oder viert seid.
Atmosphäre und audiovisuelle Tricks
Die Atmosphäre ist wirklich stark. Der Regen, der Hall, die Tunnelflure, die flackernden Lichter. Selbst wenn du mal kurz durchatmest, wirft dir das Spiel irgendein Geräusch entgegen, das du nicht eindeutig identifizieren kannst. Ein tropfendes Rohr oder ein schleichender Gegner. Du weißt es nie.
Und dann diese Stimmen. Ich kann es nicht oft genug sagen. Die Stimmen sind das, was das Spiel so unangenehm macht. Es ist nicht einfach nur ein verzerrtes Monster Grunzen, sondern teilweise genau der Tonfall deiner Freunde. Nur ganz leicht falsch. So falsch, dass dein Gehirn sofort Alarm schlägt. Das ist psychologisch viel effektiver als jeder Jumpscare.

Die Grafik ist kein Meisterwerk, aber stimmungsvoll. Dunkel, feucht, dreckig, verrostet. Alles wirkt wie ein Ort, der schon lange vergessen wurde. Und genau das macht diese Bedrohung aus. Die Mimes sehen aus wie Menschen, aber die Bewegungen verraten sie manchmal. Und das reicht.
Technik
Technisch läuft MIMESIS erstaunlich gut. Für Early Access ist das Ding richtig stabil. Ich hatte keinen einzigen Crash, kaum Ruckler und die Performance war konstant. Klar sind die Animationen nicht immer perfekt, manche Figuren glitchen ein bisschen komisch übers Gelände, aber alles bleibt spielbar und nichts bricht die Stimmung.
Im Online Modus merkt man ein paar Mikro Hänger, wenn neue Spieler beitreten oder wenn neue Bereiche geladen werden. Aber nichts schlimmes. Und ganz ehrlich, bei der Art Spiel fällt das nicht groß auf, weil du eh die meiste Zeit damit beschäftigt bist zu überlegen, ob dein Team dich gerade verarscht.

Fazit
MIMESIS macht nicht alles perfekt, aber es macht die richtigen Dinge verdammt gut. Es setzt nicht auf laute Effekte, sondern auf dieses fiese Gefühl im Nacken, dass irgendwas nicht ganz stimmt. Und wenn du dann im Voicechat diskutierst, wer gerade echt ist und wer nicht, dann spürst du, dass das Spiel genau da trifft, wo es soll.
Für Solo Spieler ist es ok, aber halt nur halber Spaß. Die volle Ladung kriegst du nur, wenn du mit Freunden spielst, am besten spät abends mit Headset, wenn alle ein bisschen übermüdet sind und sich leichter erschrecken. Dann entfaltet das Spiel seine ganze fiese Paranoia Power.
Es ist creepy, es ist chaotisch, es ist manchmal richtig lustig und gleichzeitig unangenehm. Genau die perfekte Mischung für ein gutes Koop Horrording.

