Ich habe Ninja Gaiden 4 auf der PlayStation gezockt, was schon für sich genommen irgendwie absurd ist, weil das Spiel ironischerweise von Xbox bereitgestellt wurde. Und ehrlich gesagt: genau das passt perfekt zu diesem Titel. Es ist ein bisschen widersprüchlich, ein bisschen seltsam, aber auf seine eigene, brutale Art total faszinierend.
Nach all den Jahren der Stille ist Ninja Gaiden zurück. Und wie. Nur diesmal ist nicht allein Ryu Hayabusa der Star, sondern eine neue Generation von Schattenkriegern, die Yakumo. Sie treten an, um das Vermächtnis weiterzutragen, das wir alle für längst abgeschlossen hielten. Und sie machen ihrem Lehrer alle Ehre – denn leicht ist hier gar nichts. Wer gedacht hat, FromSoftware hätte das Monopol auf Frust, Irritation und pure Verzweiflung, der wird hier eines Besseren belehrt. Ninja Gaiden 4 ist eine Kampfansage an deine Geduld, deine Reflexe und manchmal auch an deine mentale Stabilität.
Einstieg als Ninja: Willkommen im Unterricht der Schmerzen
Das Spiel wirft dich rein, ohne Mitleid, ohne Sicherheitsnetz und ohne lange Einleitung. Es gibt zwar ein Tutorial, aber das ist eher ein schlechter Witz als eine echte Hilfe. Du bekommst ein Katana in die Hand gedrückt, zehn Gegner stürmen auf dich zu, und irgendwo aus dem Off scheint eine Stimme zu flüstern: „Na, mal sehen, wie lange du überlebst.“
Die ersten Minuten fühlen sich an wie ein böser Scherz. Du drückst hektisch Knöpfe, wehrst dich, versuchst auszuweichen, und trotzdem endet alles mit dem vertrauten Bildschirmtod. Doch genau das ist der Punkt. Ninja Gaiden 4 will dich scheitern sehen, damit du lernst. Es zwingt dich, seine Mechaniken zu verstehen, statt sie einfach zu benutzen.

Und dann, nach unzähligen Fehlversuchen, irgendwann zwischen Frust und Verzweiflung, passiert es: Es klickt. Du beginnst, Bewegungen zu lesen, Angriffe vorauszusehen, den Rhythmus der Gegner zu spüren. Plötzlich steuerst du nicht mehr panisch, sondern präzise. Und in dem Moment wird aus purem Chaos plötzlich Tanz. Ein Tanz aus Stahl, Blut und Timing.
Gameplay: Ein Tanz aus Stahl und Schweiß
Wenn Sekiro chirurgische Präzision verlangt, dann ist Ninja Gaiden 4 der durchgedrehte Cousin auf Koffein. Jeder Schlag zählt, jede Parade, jede Ausweichrolle. Das Spiel ist brutal ehrlich: Wenn du triffst, fühlt sich das mächtig an. Wenn du patzt, bist du tot. Punkt.
Das Kampfsystem ist wie ein Musikinstrument. Es dauert, bis man es versteht, aber wenn es sitzt, dann groovt es. Die Kämpfe haben einen Rhythmus, fast wie Musik. Jeder Schlag hat Gewicht, jede Bewegung Konsequenz. Es ist kein Spiel, das dir verzeiht, aber eins, das dich belohnt, wenn du es meisterst.

Dabei bleibt es erstaunlich abwechslungsreich. Es gibt neue Waffen, jede mit ihrem eigenen Charakter. Das Katana ist schnell und präzise, die Kusarigama technisch und tödlich, und dieses neue Doppelklingen-Set ist einfach pures Adrenalin. Du kannst zwischen ihnen wechseln, je nach Gegner und Stil, was das Spielgefühl angenehm frisch hält.
Was mir wirklich imponiert hat, ist das Tempo. Alles passiert auf Frameebene. Wenn du eine Kombo landest, sieht das nicht nur gut aus, es fühlt sich auch gut an. Jeder Kampf wird zu einem Mini-Bosskampf. Jeder Sieg ist ein Triumph über die eigenen Reflexe. Aber wehe, du wirst überheblich – das Spiel wartet nur darauf, dich wieder auf den Boden der Tatsachen zu prügeln.
Atmosphäre & Welt: Düstere Eleganz trifft Stahlregen
Ninja Gaiden 4 ist kein grafisches Meisterwerk im Sinne von „mehr Pixel pro Haar“, aber es ist ein ästhetisches Brett. Die Mischung aus futuristischen Städten, alten Tempelanlagen und nächtlichen Neonlichtern erzeugt eine Stimmung, die man kaum beschreiben kann. Es ist, als hätte jemand Blade Runner und ein Samurai-Drama in einen Mixer geworfen und anschließend mit einem Liter Monster Energy übergossen.

Die Schauplätze sind abwechslungsreich und wirken wie Bühnen für ein brutales Ballett. Du kämpfst auf Dächern, in brennenden Tempeln, in futuristischen Straßen, in alten Katakomben. Jeder Ort erzählt etwas über das Chaos dieser Welt, über den ewigen Konflikt zwischen Tradition und Moderne, zwischen Ehre und Wahnsinn.
Der Soundtrack ist ein Biest. Traditionelle Taiko-Drums treffen auf aggressive E-Gitarren und elektronische Beats. Es pumpt dich auf, es treibt dich an, es schreit dir ins Gesicht: „Mach weiter, du bist noch nicht fertig!“ Dazu kommen Soundeffekte, die richtig knallen. Das Klirren von Metall, das Zischen der Klingen, das dumpfe Stöhnen eines getroffenen Gegners – alles sitzt.
Und dann sind da noch die Zwischensequenzen. Komplett übertrieben, teilweise so drüber, dass man lachen müsste, wenn sie nicht gleichzeitig so unfassbar cool wären. Es ist diese Art von überinszeniertem Quatsch, die Ninja Gaiden schon immer ausgemacht hat. Die Art, bei der du denkst: „Eigentlich ist das total albern… aber verdammt, es funktioniert.“

Multiplayer & Modi: Drei Wege zum Wahnsinn
Wer hier einen riesigen Online-Modus oder Koop-Features erwartet, wird enttäuscht. Ninja Gaiden 4 bleibt bei seinen Wurzeln. Es gibt die klassische Kampagne, einen Trainingsmodus und ein paar Zusatzherausforderungen. Und ehrlich gesagt, das reicht völlig.
Die Kampagne ist das Herzstück. Sie ist fordernd, kompromisslos, aber auch erstaunlich motivierend. Jeder Boss fühlt sich an wie ein Test. Das Spiel zwingt dich, zu lernen, dich anzupassen und jede Mechanik wirklich zu beherrschen. Wenn du es schaffst, fühlt sich das an, als hättest du persönlich ein Bergmassiv verschoben.
Der Trainingsmodus ist kein nettes Beiwerk, sondern essenziell. Hier kannst du Techniken perfektionieren, Waffen ausprobieren und deine Reflexe schärfen. Ich habe da mehr Zeit verbracht, als ich zugeben will, einfach weil es so befriedigend war, den eigenen Fortschritt zu sehen.

Einen Arena- oder Versus-Modus sucht man vergeblich, und das ist auch gut so. Ninja Gaiden war nie Multiplayer-Material. Dieses Spiel ist purer Singleplayer-Sadismus, ein Dialog zwischen dir und dem Code. Kein Freund, kein Gegner, kein Chat, nur du und der Schmerz.
Technik: Stabil, aber mit Ecken
Auf der PlayStation lief Ninja Gaiden 4 bei mir extrem sauber. Kein einziger Absturz, keine katastrophalen Bugs, keine Gamebreaker. Die Bildrate bleibt stabil, selbst wenn auf dem Bildschirm gerade zwanzig Feinde explodieren und ein Boss eine halbe Stadt zerlegt.
Die Kamera hat manchmal ihre eigene Meinung darüber, was sehenswert ist, besonders in engen Räumen. Da kämpfst du um dein Leben, und sie denkt sich: „Schau mal, wie hübsch diese Wand ist!“ Aber nach ein paar Stunden hat man sich daran gewöhnt und kompensiert es automatisch.
Ein paar Animationen wirken etwas steif, vor allem bei Zwischenschritten, aber das ist eher Detailmeckerei. Die Steuerung reagiert präzise, die Ladezeiten sind kurz, der Sound ist fett abgemischt. Es gibt kaum technische Stolperfallen, und das ist bei so viel Action fast schon eine Leistung.

Fazit: Für alle, die gerne leiden aber mit Stil
Ninja Gaiden 4 ist kein Wohlfühlspiel. Es ist kein Titel, den man mal eben nach Feierabend entspannt zockt. Dieses Spiel hasst dich. Aber es hasst dich auf die bestmögliche Art. Es zwingt dich, besser zu werden, härter zu denken, präziser zu reagieren. Und wenn du das tust, belohnt es dich mit einem Gefühl, das nur wenige Spiele schaffen: echtem Triumph.
Jeder Sieg fühlt sich verdient an. Jede Kombo, die du meisterst, ist ein Statement. Es gibt keinen Grind, keine Open-World-Füller, keine Gnadenmechanik. Es gibt nur dich, dein Katana und den unbarmherzigen Rhythmus des Kampfes.
Ich liebe, wie ehrlich dieses Spiel ist. Es verstellt sich nicht, es schmeichelt dir nicht, es wirft dich einfach in den Abgrund und sagt: „Wenn du’s drauf hast, komm wieder raus.“ Und irgendwie macht genau das süchtig.
Wenn du also das Gefühl magst, dass ein Spiel dich gleichzeitig hasst und respektiert, dann ist Ninja Gaiden 4 genau dein Ding.
Es bricht dich. Und es setzt dich wieder zusammen.
Nur ein bisschen schärfer.
