Ich wusste sofort, dass ich dieses Spiel ausprobieren muss. Ripperdoc Simulator klang einfach zu verrückt, um es nicht mal anzutasten. Du führst einen kleinen, halb legalen Laden in einer verregneten Cyberpunk-Gasse und operierst Menschen, die mehr Metall als Mensch sein wollen. Eine Mischung aus Surgeon Simulator, Deus Ex und einem besonders schlechten Tag in Night City.
Also rein da, Werkbank hochgeklappt, Skalpell gezückt und gehofft, dass der erste Patient den Eingriff überlebt.
Einstieg ins Spiel
Der Einstieg funktioniert erstaunlich rund. Du startest mit einem winzigen Laden, ein paar Werkzeugen und sehr wenig Geld. Vorne verkaufst du Elektronikschrott, hinten steht der Operationsstuhl. Mehr brauchst du fürs Erste nicht.
Die ersten Minuten bestehen aus Routine. Du nimmst Aufträge an, bereitest Bauteile vor, schaltest Maschinen ein und lernst, wie du Implantate einsetzt, ohne dass alles in Flammen aufgeht. Das Spiel erklärt die Grundlagen recht ordentlich, aber viele Details musst du dir selbst erschließen. Das ist kein Nachteil, denn genau das erzeugt diesen Bastler-Flow, der süchtig macht.
Ich war schnell drin. Die Steuerung ist eingängig, das Interface funktional, und alles fühlt sich dreckig und glaubwürdig an. Nach einer Stunde hatte ich das Gefühl, wirklich in dieser Welt zu arbeiten. Ein Ladenbesitzer, der tagsüber Platinen verkauft und nachts menschliche Nervensysteme lötet.

Gameplay
Das Herzstück von Ripperdoc Simulator ist die Mischung aus Ladenmanagement und illegaler Chirurgie. Tagsüber handelst du mit Technik, suchst Ersatzteile, feilst an Preisen und kümmerst dich um Kundschaft. Nachts kommen dann die richtigen Kunden. Die mit den glänzenden Augen, den vibrierenden Armen und den zweifelhaften Absichten.
Die Eingriffe sind interaktiv, manchmal zäh, manchmal faszinierend. Du öffnest Haut, trennst Kabel, schraubst Metall in Fleisch und hoffst, dass der Stromkreis nicht zu heiß wird. Es gibt ein gutes Gleichgewicht zwischen Stress und Belohnung. Wenn ein Eingriff gelingt, fühlt sich das befriedigend an. Wenn etwas schiefgeht, zuckst du zusammen, als wäre es dein eigener Fehler.

Mit der Zeit wird das System komplexer. Du musst Werkzeuge aufrüsten, Komponenten verbessern und dich mit der Unterwelt anlegen, um an seltene Bauteile zu kommen. Es entsteht ein schöner Kreislauf aus Risiko und Fortschritt. Geld bringt Macht, Macht bringt Probleme.
Was dem Spiel gut tut, ist seine Konsequenz. Es lässt dich Fehler machen. Du kannst zu schnell operieren, zu billig verkaufen oder die falschen Deals eingehen. Dann wirst du bestraft. Und das fühlt sich fair an. Du lernst, wie ein Ripperdoc zu denken, immer zwischen Profit und Moral.
Langfristig wünscht man sich etwas mehr Abwechslung. Viele Eingriffe laufen ähnlich ab, und das Wirtschaftssystem bleibt überschaubar. Aber die Grundidee trägt erstaunlich weit. Es hat dieses charmante Gefühl eines Spiels, das mehr über seine Stimmung als über seine Systeme funktioniert.

Atmosphäre und Welt
Hier punktet Ripperdoc Simulator richtig. Alles ist in Neonlicht getaucht, nass, laut und irgendwie kaputt. Die Stadt ist kein lebendiger Ort im klassischen Sinn, sondern eine Kulisse aus Rost, Strom und Menschlichkeit im Zerfall. Du hörst draußen Sirenen, im Hintergrund brummt der Generator, und der Geruch von Öl scheint förmlich durch den Bildschirm zu kriechen.
Die Klinik selbst ist klein, aber detailverliebt. Alte Terminals flackern, Werkzeuge liegen auf Metallplatten, Blut tropft neben Chromteilen. Alles wirkt glaubwürdig heruntergekommen. Das Spiel hat keine riesigen Umgebungen, aber es nutzt das, was es hat, perfekt aus.

Der Sound ist exzellent. Metallisches Surren, leises Ticken, ferne Stimmen, die von draußen hereindringen. Es entsteht ein beklemmendes Gefühl, das genau den richtigen Ton trifft. Keine aufdringliche Musik, nur maschinelles Leben.
Die visuelle Gestaltung erinnert an frühe Cyberpunk-Spiele, roh und ungeschliffen, aber mit Stil. Es ist kein grafisches Meisterwerk, aber es schafft Atmosphäre durch Dichte, nicht durch Politur. Man spürt förmlich, dass man Teil eines Systems ist, das längst verrottet, aber immer noch funktioniert.
Wirtschaft, Moral und Wahnsinn
Was mich überrascht hat, ist, wie gut das Spiel wirtschaftliche Entscheidungen mit ethischen Fragen verknüpft. Du brauchst Geld, klar. Aber wenn du einem Kunden ein fehlerhaftes Implantat einsetzt, bekommst du vielleicht Ärger. Wenn du einen Auftrag für die falschen Leute annimmst, steht plötzlich ein Schlägertrupp im Laden.
Es geht weniger um Gut und Böse, sondern um Überleben. Jeder Deal ist ein Kompromiss. Jeder Eingriff ein Risiko. Du jonglierst zwischen Schwarzmarkt, Lieferanten und Kunden, die mehr Geheimnisse als Geld mitbringen. Dieses Gefühl von Dreck, Schuld und Notwendigkeit macht Ripperdoc Simulator so stark.

Es erzählt keine lineare Geschichte, aber es malt ein klares Bild davon, wie sich moralische Abstumpfung anfühlt. Nach einer Weile erwischst du dich dabei, wie du Entscheidungen triffst, die du am Anfang nie getroffen hättest. Und genau da funktioniert das Spiel als kleine Cyberpunk-Erzählung ohne Worte.
Technik
Technisch läuft das Spiel ordentlich. Die Unreal Engine sorgt für stimmiges Licht und flüssige Bewegungen, ohne dass die Hardware überfordert wird. Steuerung und Kamera sind präzise, und ich hatte in meinem Test kaum Bugs.
Gelegentlich ruckelt es beim Laden neuer Objekte, und die Physik kann bei feinen Bewegungen etwas widerspenstig sein. Aber das sind Kleinigkeiten, die kaum stören. Der Fokus liegt eindeutig auf Immersion, nicht auf Perfektion. Das Spiel läuft auch auf mittelstarker Hardware problemlos. Es gibt keine überflüssigen Systeme, keine komplizierten Menüs. Alles ist funktional und nachvollziehbar, was dem Bastelgefühl zugutekommt.

Fazit
Ripperdoc Simulator ist eines dieser Spiele, die sich mutig in eine Nische wagen und dort erstaunlich viel richtig machen. Es ist kein Blockbuster, keine überladene Simulation, sondern ein dreckiges, ehrliches Cyberpunk-Experiment mit Herz und Wucht.
Wer Spaß an ungewöhnlichen Konzepten hat, wer gern bastelt, tüftelt und Risiken eingeht, wird hier seine Freude haben. Es ist ein ruhiges Spiel, das dich aber auf eine seltsame Art packt. Jede Operation, jeder Deal fühlt sich wie ein kleiner moralischer Test an. Klar, es wiederholt sich stellenweise. Klar, es könnte mehr Tiefe im Management gebrauchen. Aber die Idee trägt, die Stimmung sitzt, und die Faszination bleibt.
