Es gibt Spiele, die beginnen mit einer heroischen Ansprache oder einem epischen Bosskampf. Und dann gibt’s RV There Yet?, wo du in einem klapprigen Wohnmobil sitzt, das aussieht, als hätte es seine besten Jahre in den 80ern gelassen, und dich fragst: „Wie schwer kann Fahren schon sein?“ Die Antwort: Sehr.
Ich hab das Ding zusammen mit Freunden ausprobiert und selten so viel Chaos, Gelächter und unkontrollierte Flüche in einem Spiel erlebt, das technisch eigentlich nur von dir verlangt, ein Fahrzeug sicher von A nach B zu bringen.
Klingt simpel? Ja. Ist es aber nicht. RV There Yet? ist ein Spiel, das die Grenzen von Freundschaft, Geduld und Physiksystemen testet – und dabei eine der unterhaltsamsten Koop-Erfahrungen liefert, die ich seit Human Fall Flat gesehen habe.
Einstieg ins Spiel – Abfahrt ins Ungewisse
Der Einstieg ist schnell, charmant und genau richtig chaotisch. Kein großes Intro, keine ellenlangen Tutorials. Du wirst einfach in den Bus gesetzt, drehst am Zündschlüssel, und dann beginnt der Wahnsinn.
Im Prinzip geht es darum, mit deinem Wohnmobil durch ein wildes, unberechenbares Gelände zu fahren, das irgendwo zwischen Roadtrip-Idylle und Mad-Max-Schlammwüste liegt. Klingt lustig, und das ist es auch, aber RV There Yet? ist kein Spaziergang.
Die Steuerung fühlt sich anfangs an, als würdest du versuchen, ein Sofa mit Vorderradantrieb zu manövrieren. Du lernst schnell, dass Gewicht, Schwung und Gelände entscheidend sind und dass es absolut keine Garantie gibt, dass du den nächsten Hügel überlebst.

Im Tutorial lernst du immerhin die Basics: Wie man lenkt, wie man die Winde benutzt, wie man das Wohnmobil wieder aufrichtet, wenn es kopfüber in einem Fluss liegt (was garantiert passieren wird). Alles ist simpel gehalten, aber gerade das ist clever – das Spiel will, dass du lernst, indem du scheiterst.
Nach fünf Minuten hat man das Grundprinzip verstanden. Nach zehn Minuten brennt der Grill, das Wohnmobil liegt auf der Seite, und einer deiner Freunde hängt kopfüber an der Seilwinde. Willkommen bei RV There Yet?.
Gameplay – Schrauben, Schleppen, Fluchen
Das Herzstück des Spiels ist sein chaotischer Koop-Gameplay-Loop. Du steuerst das Wohnmobil gemeinsam, denn jeder übernimmt bestimmte Aufgaben: einer fährt, einer zieht, einer repariert, einer kocht. Ja, richtig gelesen: Du kannst tatsächlich Burger grillen, während das Fahrzeug im Graben hängt.
Die Physik ist das eigentliche Monster hier. Das Fahrzeug hat Gewicht, Momentum, und jeder kleine Hügel kann zur Katastrophe werden. Wenn du die Winde falsch benutzt, kippt der Bus. Wenn du zu viel Gas gibst, fliegst aus der Kurve. Und wenn du denkst, du hast alles unter Kontrolle und dann reißt jemand aus Versehen das Seil, und ihr fangt wieder von vorne an.

Was das Spiel großartig macht, ist, dass alles Konsequenzen hat. Nichts ist geskriptet oder künstlich gebalanced. Wenn euer Wohnmobil kippt, kippt es, Punkt. Wenn du in einen See fährst, ist das kein „Game Over“, sondern eine Einladung zu einer improvisierten Rettungsaktion. Und genau das sorgt für die besten Momente: Diese Mischung aus echtem Chaos, improvisierter Problemlösung und hysterischem Lachen.
Allein funktioniert das Spiel, aber nur halb so gut. Mit Freunden wird es zur absurden Comedy-Show. Besonders, wenn einer versucht zu rangieren, der andere das Seil spannt, und der Dritte schon mal die Marshmallows auspackt, weil klar ist, dass das hier noch dauern wird.
Atmosphäre & Stil – Urlaub mit Hang zur Katastrophe
RV There Yet? hat diesen typischen Indie-Look, der gar nicht versucht, realistisch zu sein, sondern lieber überzeichnet und charmant wirkt. Das Wohnmobil ist liebevoll klobig, die Landschaft bunt, aber gefährlich, und der ganze Stil schreit „Wir wissen genau, dass ihr das Ding gleich umkippt“.
Das Spiel lebt von seinen Momenten. Wenn du mit deinen Freunden durch den Wald fährst, während die Sonne untergeht, und alles für eine halbe Minute friedlich aussieht, denkst du: „Okay, vielleicht schaffen wir’s diesmal.“ Zehn Sekunden später überschlägt sich das Wohnmobil, der Motor brennt, und jemand ruft panisch: „Ich hab die Gasflasche verloren!“
Diese plötzlichen Stimmungswechsel machen das Spiel so charmant.

Der Soundtrack hält sich angenehm zurück. Ein paar ruhige Gitarren, leicht verträumte Melodien … bis das Chaos ausbricht. Dann übernimmt der Motorlärm, das Knacken der Winde, das Krachen von Metall. Es ist nicht die Art Sounddesign, die dich umhaut, aber sie trägt perfekt zur Atmosphäre bei.
Multiplayer & Community – Der Spaß steht und fällt mit den Leuten
RV There Yet? ist ganz klar auf Koop ausgelegt. Bis zu vier Spieler gleichzeitig können das Wohnmobil steuern, retten, reparieren und in die Luft jagen. Allein funktioniert das zwar technisch, aber ehrlich gesagt, das ist wie Karaoke ohne Mikrofon. Es geht hier um Chaos, Kommunikation und kollektives Scheitern.
Die Rollenverteilung ist herrlich absurd. Einer lenkt, der andere wincht, einer sucht Ersatzteile, und irgendwer rennt panisch mit einem Feuerlöscher umher. Es entsteht ein echter Flow, wenn man als Team harmoniert, oder ein völliges Desaster, wenn nicht. Und beides ist gleichermaßen unterhaltsam.
Die Community ist noch klein, aber enthusiastisch. Viele Spieler teilen auf Reddit und Discord Clips von ihren Stunts, Pannen und genialen Manövern. Es ist dieses typische Indie-Koop-Phänomen: klein, aber leidenschaftlich.

Technik & Engine – Der kleine Bus mit dem großen Herz
Technisch läuft RV There Yet? ordentlich, aber nicht makellos. Die Physikengine ist das Herzstück, und die funktioniert erstaunlich gut, wenn sie will. Gelegentlich flippen Objekte aus, Fahrzeuge buggen leicht in den Boden, und die Kamera hat manchmal einen eigenen Kopf. Aber all das passt irgendwie zum Gesamtgefühl des Spiels. Dieses kontrollierte Chaos ist Teil der DNA.
Grafisch bewegt sich alles im Indie-Rahmen: keine Unreal-5-Showcases, aber ein sauberer, klarer Look. Dafür ist die Performance solide – außer, wenn zu viele Partikel gleichzeitig umherfliegen oder die Physik komplett ausrastet. Auf schwächeren Systemen (besonders dem Steam Deck) berichten Spieler noch von Framedrops, aber die Entwickler patchen regelmäßig nach.
Die Steuerung funktioniert gut, Controller-Support ist vorhanden, und die Physik-Interaktionen sind nachvollziehbar genug, dass man sich nie unfair fühlt – nur unfähig.

Fazit – Chaos auf Rädern, das man lieben muss
RV There Yet? ist ein kleines, schräges Koop-Spiel mit riesigem Spaßpotenzial. Es ist kein technisches Wunderwerk, keine tiefgründige Simulation, kein Spiel für Perfektionisten. Aber es ist verdammt lustig. Wenn du ein Spiel suchst, das du mit Freunden an einem Abend startest, bei dem alle lachen, fluchen und am Ende schwören, „das nächste Mal wird’s besser“ – dann bist du hier goldrichtig.
Wer allerdings auf ausgefeilte Progression, große Karten oder Singleplayer-Tauglichkeit hofft, wird enttäuscht. Noch gibt es nur eine Hauptkarte, begrenzte Abwechslung und hier und da technische Ecken. Aber dafür ist das, was da ist, erstaunlich gut.
RV There Yet? ist wie ein verbeulter Camper mit Herz: wackelig, unberechenbar, aber unvergesslich.
