Manchmal ist es wie ein Déjà-vu aus der Diskettenzeit. Du siehst den Namen Simon the Sorcerer und bist plötzlich wieder zwölf, der Röhrenmonitor flackert, und du klickst dich mit der linken Maustaste durch pixelige Fantasy-Landschaften. Dreißig Jahre später gibt es nun tatsächlich wieder ein neues Simon. Und nein, das ist kein Remake, sondern ein Prequel.
Simon the Sorcerer Origins spielt kurz vor dem Original von 1993 und will gleichzeitig Nostalgie und Neuanfang sein. Entwickelt wurde das Ganze von Smallthing Studios aus Italien, und die Idee ist simpel: Du bist ein elfjähriger Junge, frisch umgezogen, schulmüde, rotzfrech und auf bestem Weg, versehentlich in eine magische Welt zu stolpern.
Ein paar Minuten später öffnet sich ein lila Portal, und zack, da du bist mittendrin in einem Fantasy-Chaos, das sich selbst nicht zu ernst nimmt.
Einstieg – Ein Portal, ein Junge und ein Chaos aus Farben
Der Einstieg ist angenehm klassisch. Kein langes Tutorial, keine moderne Hektik. Du startest in Simons Zimmer, lernst die Steuerung und klickst dich durch kleine Interaktionen. Kaum hast du dich mit dem Interface vertraut gemacht, wird Simon von einem mysteriösen Licht eingesogen, landet in einer Zauberwelt und steht einem alten Magier gegenüber, der etwas von einer uralten Prophezeiung murmelt.
Alles fühlt sich vertraut an, aber mit frischem Anstrich. Die Entwickler haben die alte Formel modernisiert, ohne sie zu verraten. Die Steuerung wurde vereinfacht, du klickst, kombinierst, sammelst, sprichst, und das funktioniert. Wer in den Neunzigern Point-and-Clicks gespielt hat, fühlt sich sofort zuhause. Wer neu im Genre ist, kommt trotzdem klar, weil das Spiel unnötige Kommandos gestrichen hat.
Kleine Einschränkung: Es gibt keine frei belegbaren Tasten, was PC-Puristen nerven könnte. Spieler mit Controller haben es besser, weil sie zwischen klassischer Cursor-Steuerung und direkter Kontrolle wechseln dürfen. Es ist kein Gamebreaker, aber es fällt auf.

Gameplay – Alte Schule mit moderner Geduld
Das Herzstück von Simon the Sorcerer Origins ist das, was man am Point-and-Click liebt: rätseln, quatschen, kombinieren, ausprobieren. Du sammelst Gegenstände, redest mit schrägen Figuren und suchst nach der richtigen Kombination, um eine verschlossene Tür zu öffnen oder ein Ritual zu aktivieren.
Die Rätsel treffen genau den Sweet Spot zwischen klassisch und zugänglich. Du kannst Objekte kombinieren, Hinweise in der Umgebung finden oder sogar kleine Zauber einsetzen, die Simons Fähigkeiten verändern. Ein Hut für die helle Seite, einer für die dunkle, denn beide beeinflussen, welche Gegenstände du benutzen kannst. Das ist clever, auch wenn manche Puzzle schon arg an die Härte alter LucasArts-Tage erinnern.
Die größte Stärke ist das Pacing. Alles läuft gemächlich, aber nie träge. Du triffst ständig neue Figuren, findest neue Orte, und es gibt genug Dialoge, um dich bei Laune zu halten. Gleichzeitig sind viele Rätsel so konstruiert, dass man immer ein bisschen knobeln muss, ohne komplett stecken zu bleiben.

Nur manchmal schlägt das Spiel über die Stränge. Einige Aufgaben wirken altmodisch unfair, vor allem, wenn die Lösung auf einen Pixel oder einen absurden Gedanken basiert. Ein kleines Hinweis-System wäre hilfreich gewesen. Das Journal ist zwar praktisch, zeigt dir aber nur, was du als Nächstes tun solltest, nicht wie.
Das stört den Flow zwar ab und zu, macht ihn aber auch authentisch. So hat man eben damals gespielt.
Atmosphäre und Welt – Disney trifft Dungeons and Dragons
Grafisch ist Simon the Sorcerer Origins eine kleine Überraschung. Statt Retro-Pixeln gibt es handgezeichnete Szenen im Stil der Disney-Renaissance. Die Entwickler haben tatsächlich mit einigen Künstlern gearbeitet, die auch an Klaus von Netflix beteiligt waren, und das sieht man. Jede Szene wirkt lebendig, bunt und leicht überzeichnet, wie ein interaktiver Zeichentrickfilm.
Wenn die Kamera rauszoomt und du die gesamte Szenerie siehst, wirkt das richtig beeindruckend. Häuser voller Details, Wiesen mit Bewegung, Lichter, die flackern. Es ist kein Grafik-Monster, aber ein wunderschönes Kunstwerk.

Dazu kommt der Sound. Die Musik wechselt je nach Stimmung, ohne zu aufdringlich zu sein. Die Soundeffekte sitzen perfekt, und die Sprachausgabe ist komplett vertont. Besonders cool: Chris Barrie, bekannt aus Red Dwarf und der alten Simon-Reihe, spricht wieder Simon. Ja, er klingt eher nach einem Mann mit Steuererklärung als nach einem Elfjährigen, aber das passt irgendwie. Seine schnippische Art trägt das Spiel.
Auch der Bösewicht Sordid ist klasse vertont. Er ist übertrieben, zynisch und hat diese herrliche Mischung aus Theatralik und Wahnsinn. Das Zusammenspiel zwischen Simon und Sordid gehört zu den Highlights.

Humor und Ton – Frech, charmant und selbstironisch
Simon the Sorcerer Origins hat Humor, und zwar richtig guten. Das Spiel nimmt sich selbst nicht ernst, bricht regelmäßig die vierte Wand und kommentiert sogar die eigene Absurdität. Simon macht sich über klassische Fetchquests lustig, kommentiert seine eigenen Aktionen und spricht manchmal direkt mit dir als Spieler.
Das Writing erinnert an alte Monkey Island-Zeiten, aber mit einem etwas moderneren, britischeren Humor. Es gibt viele Referenzen an Game of Thrones, Dungeons and Dragons und Popkultur allgemein. Einige Gags zünden sofort, andere sind so trocken, dass sie erst nach ein paar Sekunden wirken. Aber genau das macht den Charme aus.
Das Spiel ist nie albern, sondern angenehm respektlos. Es hat verstanden, dass Nostalgie nicht aus Zitaten besteht, sondern aus Ton und Haltung.

Technik und Komfort
Technisch läuft Simon the Sorcerer Origins sauber. Die Ladezeiten sind kurz, die Performance stabil, die Animationen flüssig. Die Entwickler haben praktische Komfortfunktionen eingebaut: eine Schnellreise über die Karte, Hotspots für interaktive Objekte und kleine visuelle Hinweise, die das lästige Pixel-Suchen der Neunziger endlich beenden.
Kleine Schwächen gibt es trotzdem. Einige Rätsel haben unklare Trigger, und die Kamera verhält sich in engen Räumen manchmal etwas störrisch. Aber nichts davon zerstört den Spielfluss. Alles wirkt poliert und durchdacht.

Fazit
Simon the Sorcerer Origins ist genau das, was ein gutes Revival sein sollte. Es bringt die Seele eines Klassikers zurück, ohne sich an der Vergangenheit festzubeißen. Es ist nostalgisch, aber nicht altbacken. Humorvoll, aber nicht nervig.
Wer Point-and-Click-Abenteuer mag, wird hier glücklich. Wer sie nie mochte, bekommt mit diesem Spiel vielleicht endlich den Zugang, den früher viele verpasst haben. Die Rätsel sind fordernd, die Dialoge charmant, und die Präsentation ist wunderschön.
Klar, es gibt Ecken und Kanten. Manche Puzzles sind zu sperrig, manche Witze zu britisch, und der Held klingt ein bisschen zu alt. Aber das ist alles Teil des Charmes.
Simon the Sorcerer Origins ist kein lauter Blockbuster, sondern ein ruhiges, handgemachtes Fantasy-Abenteuer voller Herz, Witz und Nostalgie. Es fühlt sich an wie ein verstaubter Klassiker, den man aus dem Regal zieht, abbläst und merkt, dass er immer noch funktioniert.
