Ich hab mir neulich die virtuelle Lokführermütze aufgesetzt und in Train Sim World 6 Platz genommen. Erwartung: gemütlich durch die Landschaft tuckern, ab und zu ein Signal übersehen (natürlich nur aus dramaturgischen Gründen) und mich am satten Rattern der Schienen erfreuen. Und genau so war’s auch, zumindest am Anfang. Die ersten Stunden fühlten sich verdächtig nach „Ah, das ist mein entschleunigter Feierabend mit Dieselsound“ an. Doch wie so oft bei Simulatoren heißt „erstes Fahren“ noch lange nicht „alles läuft rund“. Es gab Momente, in denen ich entspannt durchatmete und dachte: „Ja, das krieg ich hin.“ Und dann wieder Momente, in denen ich mich fragte, ob es wirklich so schwer ist, ein simples Signal richtig zu lesen. Wer also lieber Schienen statt Explosionen mag, sollte sich anschnallen – es wird eine gemächlich-spannende Fahrt.
Einstieg ins Spiel
Der Einstieg gelingt erstaunlich gut. Man wird nicht direkt in eine 4000-Tonnen-US-Frachtlok geworfen, sondern lernt Schritt für Schritt, wie das Ganze funktioniert. Kupplung lösen, Fahrplan checken, Signal beachten, all das fühlt sich angenehm organisch an. Für erfahrene Sim-Spieler ist das alles keine Raketenwissenschaft, aber man merkt, dass das Spiel versucht, auch Neulinge abzuholen. Es gibt genug Hilfen, um reinzukommen, aber nicht so viel, dass man das Gefühl hätte, an die Hand genommen zu werden.
Das Tutorial ist solide, aber unspektakulär. Man sitzt da, startet die Lok, fährt los, macht seinen ersten Halt. Keine großen Zwischensequenzen, keine künstliche Spannung. Eher so ein „Hier ist deine Strecke, Kollege, nun mach dein Ding“. Das kann man langweilig finden, oder ehrlich. Ich fand es ehrlich. Nach ein paar Fahrten kommt ohnehin das, was den Sim ausmacht: dieser Moment, in dem man im Rhythmus des Zuges ist und merkt, dass man tatsächlich Spaß daran hat, rechtzeitig zu bremsen.

Gameplay – Steuerhebel und Landschaften
Was man in Train Sim World 6 macht, ist ziemlich simpel. Man fährt. Man beobachtet Signale, hält Geschwindigkeiten, bedient Schalter und erlebt dabei die Welt draußen vorbeiziehen. Das klingt trocken, ist aber erstaunlich immersiv. Die Lokomotiven fühlen sich mächtig an, die Steuerung hat Gewicht, und die Soundkulisse transportiert dieses Gefühl von echter Masse. Wenn die Räder über die Schienen rattern und der Zug leicht in die Kurve kippt, entsteht diese seltsame, entspannte Konzentration, die man nur in guten Simulationen findet.
Besonders gefallen hat mir, wie unterschiedlich sich die einzelnen Strecken anfühlen. Mal fährst du durch deutsche Kleinstädte mit dichtem Fahrplan, mal durch weite Landschaften mit Fracht im Schlepptau. Jede Strecke hat ihren eigenen Charakter, mal technisch, mal atmosphärisch. Es ist nicht Action, sondern Arbeit. Aber im guten Sinne.
Natürlich gibt es auch Routine. Manche Missionen fühlen sich eher nach „Bring das von A nach B“ an als nach Abenteuer. Und bei komplexeren Manövern, etwa beim Rangieren, merkt man, dass die Steuerung zwar präzise, aber auch träge ist. Es braucht Geduld, Ruhe und einen Kaffee. Wer das mag, ist hier goldrichtig. Wer schnelle Abwechslung sucht, wird irgendwann lieber YouTube nebenbei laufen lassen.

Atmosphäre & Welt
Hier zeigt TSW 6 seine große Stärke. Wenn man in der Kabine sitzt, das Signal auf Grün springt und der Zug langsam Fahrt aufnimmt, entsteht dieses wunderbar ruhige Gefühl, das kaum ein anderes Genre bieten kann. Die Außenwelt zieht vorbei, Städte und Felder wechseln sich ab, Licht und Wetter verändern sich glaubhaft. Es ist kein Grafik-Wunder, aber die Liebe zum Detail steckt in den richtigen Momenten: im Funkeln der Gleise, im Schimmern des Sonnenaufgangs, im dumpfen Donnern beim Durchfahren eines Tunnels.
Der Sound trägt das Ganze perfekt. Das Dröhnen der Motoren, das rhythmische Klackern der Räder, das ferne Pfeifen anderer Züge – das wirkt alles erstaunlich authentisch. Nur die Passanten an den Bahnsteigen sind noch etwas leblos, als hätte jemand Pappfiguren aufgestellt. Aber das ist verzeihlich. Man sitzt ohnehin selten da, um Menschen zu beobachten. Man ist Lokführer, kein Sozialforscher.

KI, Gemeinschaft und der einsame Fahrplan
TSW 6 bleibt im Kern ein Singleplayer-Erlebnis. Multiplayer-Rangierpartys mit Freunden sucht man vergeblich. Und das ist vielleicht auch besser so. Denn das Spiel lebt von diesem Gefühl, allein auf der Strecke zu sein, konzentriert auf Signale, Weichen und Geschwindigkeit.
Die KI funktioniert solide, Züge reagieren nachvollziehbar, der Verkehr wirkt glaubwürdig, auch wenn man nicht wirklich Teil eines lebendigen, dynamischen Systems ist. Es ist eher eine Bühne als eine Simulation eines kompletten Bahnnetzes. Wer sich aber einfach in die Kabine setzen, durchatmen und das Brummen genießen will, bekommt genau das.
Die Community ist, wie man es kennt, klein, aber engagiert. Auf Foren und Discords wird über Mods, Loks und Strecken diskutiert, mit einer Leidenschaft, die man fast schon rührend nennen kann. TSW ist eben mehr als nur ein Spiel – es ist ein Hobby mit Schienen.

Technik & Stabilität
Technisch läuft Train Sim World 6 so stabil, wie man es von einer Serie erwartet, die im Jahresrhythmus neue Nummern bekommt. Die Loks sind detailliert, die Sounds sitzen, die Performance bleibt meist solide. Aber unter der Haube steckt nach wie vor die Unreal Engine 4 – und das merkt man, je länger man spielt.
Die Engine ist schlicht in die Jahre gekommen. Für ein Spiel, das 2025 erscheint, wirkt vieles erstaunlich „2020-ish“. Beleuchtung und Materialdarstellung sind solide, aber eben nicht mehr beeindruckend. Gerade bei wechselnden Lichtverhältnissen oder starken Kontrasten sieht man, dass TSW 6 mit klassischen, baked Lightmaps arbeitet, statt mit dynamischem Lumen oder Nanite-Kram, wie ihn aktuelle Unreal 5-Titel bieten. Schatten wirken hart, Reflexionen manchmal altmodisch spiegelnd, und das ganze Lighting-System fühlt sich eher nach Workaround als nach moderner Pipeline an.

Auch die Streaming-Technik – also wie das Spiel Weltabschnitte nachlädt – ist ein Überbleibsel älterer Architektur. Strecken, die sich über Dutzende Kilometer erstrecken, müssen gestückelt geladen werden. Das führt nicht zu katastrophalen Pop-ins, aber man merkt die Übergänge: Texturen bauen sich sichtbar auf, und gelegentlich stottert der Zug leicht, wenn ein neuer Abschnitt dazugeladen wird. Das bricht ein bisschen die Immersion, gerade wenn man im Flow ist und eigentlich nur den Schienen lauschen will.
Unreal Engine 4 hat außerdem ein Problem mit VRAM-Management, was man bei langen Sessions spürt. Nach einer Stunde Fahrt kann die Performance leicht schwanken – nichts Dramatisches, aber spürbar. Und das ist schade, weil man merkt, wie sehr die Entwickler aus der alten Engine noch alles rausholen. Nur irgendwann ist der Tank eben leer.
Dass TSW 6 technisch stabil läuft, ist trotzdem erwähnenswert. Abstürze? Keine. Gamebreaker? Fehlanzeige. Aber die Grenzen der Engine setzen eben auch der visuellen Entwicklung enge Schranken. Wenn du in einem 2025er Spiel keine globale Beleuchtung, keine physikalisch sauberen Spiegelungen und kein echtes Streaming-System hast, fällt das auf. Es wirkt altmodisch, aber auf charmante Art – so wie ein Museumszug, der zwar ruckelt, aber irgendwie Seele hat.
Und ehrlich gesagt, man wünscht sich, dass Dovetail Games beim nächsten Teil endlich auf Unreal Engine 5 umsteigt. Die Technik ist längst da, und gerade für ein Spiel, das so sehr von Licht, Bewegung und Atmosphäre lebt, wäre das ein Quantensprung. Bis dahin fährt TSW 6 halt weiter mit seinem bewährten, aber leicht klapprigen Motor.

Mein Fazit
Train Sim World 6 ist kein Spiel für den schnellen Kick. Es ist kein Adrenalin-Ritt, kein Chaos, keine Action-Feuerwerk-Orgie. Es ist ein Simulationsspiel im reinsten Sinne. Wer Lust hat, sich in Prozesse reinzufuchsen, wer Freude daran hat, Signale im richtigen Moment zu erwischen, wer einfach mal abschalten will, während draußen die virtuelle Welt vorbeizieht, der bekommt hier genau das.
Manchmal wirkt es fast meditativ. Einsteigen, starten, rollen, bremsen, ankommen. Und irgendwo zwischen all dem merkt man, dass man lächelt, obwohl eigentlich nichts passiert. Es ist diese Art von stiller Zufriedenheit, die nur Spiele erzeugen, die kein Spektakel brauchen, um zu wirken.

